Gegenstand der Betrachtung: Micha 2,1-11.
Die Sünden des Volkes (Mi. 2,1-5)
Mi. 2,1 Viele Menschen, so kritisierte der Prophet Micha, lagen nachts wach und hingen bösen Gedanken nach, die sie am nächsten Tag in die Tat umsetzen wollten. Ihnen kündigte er Unheil (»Weh denen*) an. Den Begriff »weh(e)« finden wir auch bei mehreren anderen Propheten im Zusammenhang mit der Ankündigung des Gerichtes über die sündigen Menschen (vgl. z.B. Jes. 3,9; 11; 5,8; 11; 18; 20-22; Jer. 13,27; Hes. 13,3;18; Hos. 7,13; 9,12; Am. 5,18; 6,1; Hab. 2,6; 9; 12; 15; 19; Zef. 2,5; 3,1).
Mi. 2,2-3 In ihrem krassen Materialismus begehrten die Menschen Acker und Häuser, die anderen gehörten, und rissen sie an sich, wie sie’s gelüstete. Sie trieben Gewalt mit anderen und stahlen ihnen ihr Haus und ihr Erbe (d.h. ihr Land). Dieser Vorwurf Michas richtete sich wahrscheinlich gegen einflussreiche Leute, die die Macht zu solchen zweifelhaften Manövern hatten. Ihre Sünde bestand nicht nur in ihrer Habgier und ihrer Neigung zum Diebstahl, sondern auch in ihrer böswilligen Missachtung der Rechte ihrer Mitmenschen.
Anderen ihren materiellen Besitz zu nehmen, stellte eine Missachtung der Gebote Gottes dar. Weil die Israeliten aber genau das taten, ersann der HERR wider dies Geschlecht Böses (vgl. Mi. 1,12). Niemand von ihnen sollte sich vor dem Gericht Gottes retten können, denn der schlimmen Zeit, die damit beginnen sollte, konnte niemand Einhalt gebieten (vgl. Mi. 1,3-4). Der Stolz des Volkes sollte der Erniedrigung weichen.
2,4-5 In ihrer Hilflosigkeit sollten die Menschen auch noch verhöhnt werden. Die Klagen der Beraubten, die um den Verlust ihrer Äcker trauerten, sollten von den Feinden zu einem Spottlied auf Juda umgedichtet werden. Den Judäern, die anderen ihr Land genommen hatten, sollte ebenfalls ihr Land genommen werden. Es würde niemand mehr geben, der ihnen wieder Land zuteilen könnte, denn ihr ganzes Staatswesen sollte zerstört sein. Mit der Gemeinde des HERRN war das Bundesvolk als ganzes gemeint (vgl. 5. Mo. 23,2; 9).
Die Sünden der falschen Propheten (Mi. 2,6-11)
Zu vielen Zeiten wirkten im Israel des Alten Testaments sowohl gute (wahre) als auch böse (falsche) Propheten. Die wahren Propheten sprachen im Auftrag Gottes zum Volk und hielten die Menschen zur Befolgung der moralischen und sozialen Gebote des mosaischen Gesetzes an. Die falschen Propheten dagegen verkündeten oft, Gott werde den Menschen nichts tun, solange sie die äußeren, zeremoniellen Seiten des Gesetzes beachteten. Wahre Propheten drängten das Volk zur Einhaltung des in 5. Mo. 27-28 umrissenen Bundes. Ihre Botschaften hatten stets eine stark ethische Dimension.
Im Gegensatz zu den wahren Propheten sagten die falschen nur das, was die Menschen hören wollten: Gott stehe auf der Seite seines Volkes und werde es nicht zugrunde gehen lassen. Das war natürlich nur teilweise richtig. Gott war immer auf Seiten Israels, doch er hatte auch gesagt, dass er das Volk bestrafen werde, wenn es ihm nicht gehorchte.
Mi. 2,6-7a Anscheinend waren die falschen Propheten empört, weil Micha das kommende Unheil verkündete (V. 3-5), und ermahnten ihn mit Nachdruck, nicht vom Zorn des nahenden Gerichts zu predigen. Sie fragten mit naiver Unbekümmertheit, ob der HERR jemals seinem Volk zürnen könne, und bezweifelten, dass Gott solches tun wolle. Sie vergaßen dabei, dass ein Vater seine Kinder gerade, weil er sie liebt, manchmal bestraft. Wäre Gott in seiner Bestrafung nicht konsequent, so würde er seinem eigenen Wort untreu werden.
Mi. 2,7b-9 Micha beantwortete die Einwände der falschen Propheten mit einer Beschreibung der damaligen Zustände im Volk von Juda. Er erinnerte sie zunächst daran, dass Gottes Reden den Frommen freundlich sind. Gott beurteilt das Verhalten der Menschen genau und segnet die, deren Wandel rechtschaffen ist.
Da die falschen Propheten die Menschen nicht aufforderten, ihre Sünden zu bereuen und sich wieder zum HERRN zu bekehren, nahmen sie ihnen die einzige Möglichkeit, sich vor den einfallenden Assyrem zu retten. Durch diese Unterlassung trieben sie Israel in die Gefangenschaft.
Mi. 2,10-11 Nicht zuletzt aufgrund der Irrlehre dieser falschen Propheten wurde das Land unrettbar verunreinigt. Daher sollten die Menschen verbannt werden. Sarkastisch befahl Micha den Menschen, davon, d.h. ins Exil, zu gehen. Doch ihre Moralbegriffe waren so verkommen, dass sie bereitwillig den Lügenpredigern glaubten, die ihnen trügerischer weise nicht das Exil, sondern weiteren Wohlstand und Wein im Überfluss vorhersagten.
Quellenverzeichnis:
- Zusammengestellt von H. Mayer nach einem Kommentar von John A. Martin „Das Alte Testament – erklärt und ausgelegt – Band 3 – Hänssler Verlag